Erste ornithologische Reise durch Südmarokko (2008)

Von Casablanca über Marrakesch nach Agadir

Eigentlich sollte es ein „ganz normaler“ Familienurlaub werden, mit Land und Leute kennen lernen, ein bisschen Abenteuer und die Weite der Sahara erleben. Natürlich durften Marrakesch und die Lehmfestungen der Berber in Aid Benhaddoud nicht fehlen. Und so war es mit Frau und Tochter, die die Reise vorschlugen und vorbereiteten, vereinbart. Ich war als Reisebegleiter sowie als Fahrer engagiert. Dass ich (wie immer) gelegentlich unterwegs aussteige und vielleicht etwas länger beim Bestimmen oder gar Fotografieren einer neuen Vogelart brauchte, war also kein Thema, jedoch eine wichtige Voraussetzung für eine solche gemeinsame Familiereise. Im Gegenzug versprach ich, brav mit ihnen in Basaren zu verweilen und mit den Händlern den nicht ganz ohne Hintergrund angebotene thé à la menthe mit viel Zucker zu genießen. Dass ich dann aber mein noch am Leib tragendes Hemd gegen eine Teekanne eintauschen musste und eine wunderschöne Rindslederjacke in Marrakesch erstehen sollte, ja sogar, wie viele andere auch, mit Teppichen nach Hause kommen würde, ahnten wir alle drei noch nicht.

 

Die einzige Vorbereitung für mich bestand darin, die potenziellen Brutvogelarten von Marokko über Internet und vor allem mit dem mittlerweile über 10 Jahre alten „neuen Kosmos Vogelführer von Svensson, Grant, Mullarney & Zetterström (der beste deutschsprachige Vogelführer, den es je gab!) grob zusammenzustellen. Außer Fernglas und das dreißig Jahre alte Spektiv nahm ich ein 4/300 mm Teleobjektiv, dazu den 1,4 fach Konverter und ein Makro-Zoom 2,8-4/24-85 mm nebst einer digitalen Spiegelreflexkamera mit. Alles zusammen in einem kleinen handlichen Rucksack, den ich überall mitschleppen konnte und der problemlos als Handgepäck im Flieger durchging. Spektiv und Stativ kamen in den Koffer.

 

Für unsere zweiwöchige Reise flogen wir Mitte Mai von Straßburg nach Casablanca. Nach der Besichtigung der Großen Moschee Hassan II. ging es am nächsten Tag mit dem Mietwagen von Casablanca in Richtung Süden über Azemmour nach El Jadida mit dem alten portugiesischen Stadtteil. Dort überraschte uns die große Kolonie mit vermutlich mehreren Hundert brütenden Kuhreihern in einem geschlossenen und von einer hohen Mauer umgebenen Park mitten in der Stadt gegenüber dem Hotel El Morabitine.

Kuhreiherbrutkolonie in El Jadida
Kuhreiherbrutkolonie in El Jadida

Auf der Fahrt nach Marrakesch konnten wir Bienenfresser, Turteltaube, Theklalerche und Raubwürger bestimmen. In Marrakesch dann Graubülbül (Pycnonotus barbatus) und die allgegenwärtige Hausammer (Emberiza sahari), die mit ihrer lauten, schönen Stimme uns morgens aus den Betten sang. Und jede Menge Mauersegler, vielleicht war auch ein mal ein Haus- oder Fahlsegler mit dabei.

 

Häufig an vielen Stellen begegnete uns auf der Fahrt nach Quarzazate die Nachtigall, gelegentlich auch Adlerbussard (Buteo rufinus), Wiedehopf und Trauerschmätzer. Wunderschön anzuschauen ist der auch im steinigen Gelände lebende Diademrotschwanz (Phoenicurus moussieri). Auf die Blaumeisen muss man achten, den es ist die nordwestafrikanische Unterart (Parus caeruleus ultramarinus) mit kräftiger, vor allem am Kopf auffallend, dunklerer Färbung. In trockenheißen hügeligen Regionen ist die Krötenkopfagame (Phryrnocephalus spec., vermutl. maculatus) nicht selten, jedoch aufmerksam und scheu, und wer Glück hat, kann sogar eine weitere Agamenart, der Veränderliche Dornschwanz (Uromastyx spec., vermutl. acanthinurus,), ausfindig machen.

 

 

Hausammer in Marrakesch
Hausammer in Marrakesch

Wer die herrliche Steinsteppe bei Boulmalne-Dades mit den zahlreichen Lerchen und Schmätzern genießen will, muss um die Zeit des Sonnenaufgangs draußen sein. Jedoch auch gegen Abend können Rotflügelbrachschwalbe, Rennvogel und das nicht so scheue Kronenflughuhn (Pterocles coronatus) angetroffen werden. Kaum unterscheidbar sind Sandlerche (Ammomanes cinturus) und Steinlerche (A. deserti), dafür auffallend die Saharaohrenlerche (Eremophila bilopha) und die Knackerlerche (Rhamphocloris clotbey). Und die fast überall anzutreffende Theklalerche fehlt auch hier nicht. Etwas Übung braucht man bei der Bestimmung von Sahara- (Oenathe leucopyga), Fahlbürzel- (Oe. moesta) und Wüstensteinschmätzer (Oe. deserti), vor allem dann, wenn im Mai die Jungen schon flügge sind und irgendwo dazwischen sich auch noch Maurensteinschmätzer, eine westliche Art des früheren Mittelmeersteinschmätzers (Oe. hispanica), aufhalten. Die Steinsteppe ist auch Lebensraum für Stummellerche, Wüstengimpel und Adlerbussard, der es auf die zahlreichen in unterirdischen Sandhöhlen wohnenden Feldrennmäuse abgesehen hat.

Unser nächstes Reiseziel Rissani und Merzouga im Südosten von Marokko brachte uns immer mehr in die Sahara mit Sanddünen, vorher jedoch konnten wir in der Dades-Schlucht bei Boulmalne an der engsten Stelle Blaumerle beobachten. – Je weiter es vom Atlasrand in die trockenheiße flache Region ging, umso mehr musste man beim Bestimmen der beiden schwarzen Schmätzerarten aufpassen: Trauer- und Saharasteinschmätzer lassen sich am besten an der unterschiedlichen Schwanzzeichnung bestimmen. Die weiße Kappe des Saharasteinschmätzers tragen nur die Adulten.

 

 

Jetzt wurde es schon erdrückend heiß und in unserem Wüstenhotel gegenüber den märchenhaften Sanddünen bedeckte der nächtliche Sandsturm alles Zentimeter hoch und färbte den himmelblauen Swimmingpool in eine braune Brühe ein. Wir besuchten die gewaltigen Dünen am Spätnachmittag zu Fuß und buchten keine Kameltour mit Berberhochzeit, auch keine Allrad- oder Quadtour, bei denen der Sand durchpflügt wird.

Beginn der Sandwüste bei Erg Chebi
Beginn der Sandwüste bei Erg Chebi

Ziegenhirte bei Taluine
Ziegenhirte bei Taluine
Ziege auf Arganbaum
Ziege auf Arganbaum

 

Am zeitlichen Scheitelpunkt unsere Reise angekommen, führte unser Weg nun wieder nach Westen mit Hauptrichtung Agadir. Vorher besuchten wir den Vieh- und Gemüsemarkt in Rassani. Noch in der Nähe der Stadt konnten wir einen Trupp der scheuen Wüstenraben (Corvus ruficollis) in der Ferne wahrnehmen. Raub- und vor allem Rotkopfwürger waren immer wieder von der Straße aus auf der langen, sonst vogelarmen Etappe auszumachen. Wir wussten auch, dass wir in felsiger Region an irgendeinem Wüstenuhu vorbeifuhren. Allerdings entschädigte uns die abwechslungsreiche Landschaft mit ihrem bergigen Wüstencharakter und der spärlichen menschlichen Besiedlung sowie gelegentliches Vorkommen von Brachpieper, Wüstensteinschmätzer und sogar einmal eine Wüstenläuferlerche (Alaemon alaudipes) voll und ganz. Hier und da kamen Schirmakazien vor und allmählich nahm die Dichte des sehr stacheligen, angeblich nur in Südmarokko vorkommende Eisenholzbaumes (Argania spinosa) zu, auf denen die von Wanderhirten gehüteten Ziegen ganz selbstverständlich in luftiger Höhe frische Blättchen fressen. Die Ähnlichkeit der Landschaft mit den Korkeichen- oder Olivenhainen des westlichen Mittelmeerraumes ist verblüffend.

Heckensänger bei Taluine
Heckensänger bei Taluine

 

Von ganz besonderem Reiz entpuppte sich ein mitten durch diese Hainlandschaft führendes Trockenflusstal zwischen Taluine und Aolouz, in dem ich einen ganzen Tag verbrachte, nachdem wir wegen einer Magenverstimmung in einem wunderbaren Hotel zwei Tage „festsaßen“. Hier war neben den beiden schon erwähnten Würgerarten, die ihre Jungen fütterten und auch schon führten, der schöne, an eine Amsel erinnernde Gesang des Heckensängers zu vernehmen. Und voller Spannung erfüllte sich dann für das Ornithologenherz der Augenblick, den erwartungsgemäß scheuen Vogel einmal sogar bis auf Armlänge vor sich rumhüpfen und nach Insekten Ausschau halten zu sehen. Aus der Hand machte ich die meisten Aufnahmen, dabei dienten die stabilen Äste des Eisenholzbaumes als Auflage. An diesem beeindruckenden Wadi sollen die Arten Bienenfresser, Wiedehopf, Theklalerche sowie Orpheusspötter nicht unerwähnt bleiben.

 

Entlang des Flusstales abwärts des Souss mit Endziel Agadir konnten wir am Wegesrand noch zahlreiche Raubwürger, Theklalerchen und Turteltauben feststellen, bevor wir vor dem gewaltigen Altlantikmeer standen.

Als wir dann unser Zimmer mit Blick aufs Meer in Mitten unzähliger Hotelkomplexe in Agadir bezogen, war uns dieser Luxus eher unangenehm und mit Wehmut dachten wir an die zwei erlebnisreichen Wochen zurück.

 

Im Meer draußen hielten sich Großmöwen, Seeschwalben, Baßtölpel und eine Skua auf. Zum Schluss war für eine Tagestour über Tiznit nach Tafraoute noch Zeit, eine wunderschöne Gegend, für die man einige Tage einplanen sollte. Dort im Küstenbereich und nördlich von Agadir kommt noch der legendäre Waldrapp vor, den wir neben einigen anderen Arten in der uns zur Verfügung gestandenen Zeit leider nicht zu Gesicht bekamen. Immerhin konnten wir von den rund 180 Brutvogelarten Marokkos, von denen 33 in Europa nicht vorkommen, 65 Arten im Süden feststellen, davon für uns 20 neue Arten. Eine Reise nach Marokko mit Familie und einen Blick auf die Vogelwelt lohnt daher auf alle Fälle.

Südostmarokko
Südostmarokko

Ende

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